Aus den Archiven 2009 - Erstveröffentlichung: Von tai chi gung-User am 24. Mai 2009 um 14:12 Inhalt: Allgemeines. Ausführung auf http://mein.salzburg.com/interessen/sport_action/2009/05/aufklarungsserie-das-ist-tai-c-3.html (Hinweis: Forum & Eintrag dort nicht mehr existent)
Allgemeines.
Körperlich gesehen, erlernt man zuerst Grundhaltungen, Positionen und Einzelbewegungen, welche schließlich in einem zusammenhängenden und harmonischen Bewegungsablauf – der sogenannten „Form“ – ausgeführt werden.
Der rein körperliche Aspekt hierbei und gewissermaßen, die „mechanische“ Ausführung der Bewegungen, wird von den Chinesen als „leere Form“ bezeichnet, welche es im Anschluss mit Geist und Seele „zu füllen“ gilt.
Was hier so einfach mit „leer“ und „voll“ bzw. „Füllen der“ Form geschrieben ist und auch so von China in den Westen übertragen wurde, ist gar nicht so leicht und verständlich zu erklären.
Versuchen wir es mit einem Vergleich: Die mentalen Vorgänge bei einem Schachspiel zwischen zwei Personen lassen sich von einem Zuseher auch nicht erfassen, bestenfalls von jemanden erahnen, wenn dieser selbst Schachspieler ist. Das Schachbrett und die darauf befindlichen Figuren stellen eine Momentaufnahme der Spielsituation dar. Ein Spieler, welcher am Zuge ist, drückt vielleicht noch mit Mimik und Gestik seine Konzentriertheit und Überlegungen aus, obwohl sich am Spielfeld „nichts tut“ bzw. der Spieler noch nicht einmal seine Hand zur Bewegung einer Figur gehoben hat. Jeder, wer nun zufällig vorbeikommt aber noch keinerlei Kenntnisse vom Spiel hat, mag vielleicht unverständlich den Kopf schütteln und sich fragen, warum zwei Menschen sich einem kariertem Brett mit Spielfiguren gegenübersitzen und minutenlang „nichts geschieht“. Um das Spiel zu begreifen, benötigt man die Kenntnis der Spielregeln, die Bedeutung der Figuren und Zugmöglichkeiten; mit Fortschreiten „der Meisterung“: erfolgreiche Spielvarianten (Züge, Optionen und Gegenzüge), Taktiken, Strategien… und die Fähigkeit der „Vorausschau“ – also kognitive, visuelle, mathematische, o.ä. Fähigkeiten, welche dann ausschließlich „mental“ zum Einsatz kommen und „von aussen“ – logischerweise – nicht „gesehen“ werden können und sich nur dann „manifestieren“, wenn tatsächlich ein Zug vorgenommen wird.
Ähnliches gilt für die Ausführung der „Form“ in Tai Chi – wobei jedoch kein (Bewegungs-)Stillstand erkennbar ist. Während der Ausübung der langsamen, harmonischen Bewegungen herrscht höchste Konzentration, gepaart mit dazugehörigen – ich nenne diese: „Imaginationen“ – welche sich im jeweiligen Abschnitt der Form (Übungsteil, Abfolge oder Figur – in Tai Chi Gung bezeichnen wir dies als „Bild“) unterscheiden sowie auch davon abhängig sind und die Bewegung des Körpers „begleiten“.
Der Körper selbst wird somit tatsächlich zur „Form“ – also einem „Gefäß“ – welches sozusagen mit mentalem Inhalt „gefüllt“ wird. Daher „stimmt“ auch die Kurzerläuterung „Meditation in Bewegung“.
Ein „Außenstehender“, ein Zuseher, bekommt hiervon freilich gar nichts mit! (Anm.: geübte Tai Chi-Praktizierende erkennen dennoch sehr gut, ob eine Form „leer“ oder „voll“ ausgeführt wird)
Ein Anfänger ist freilich vollauf damit beschäftigt, zuerst alle Bewegungen zu erlernen sowie die korrekte Ausführung und Abläufe einer Form. Meist bleibt selbigen neben der „Sortierung seiner Gliedmaßen“, dem korrektem Timing und der Aufrechterhaltung der Koordination, kaum mehr „Mentalkapazität“ für andere Dinge, außer dazu: noch Luft zu holen.
Das Erlernen einer Form lässt sich auch mit dem Erlernen des Autofahrens vergleichen: zu Beginn muss alles bewusst eingeleitet und „veranlasst“ werden, bevor die Körperbewegungen soweit automatisiert sind, dass diese „unbewusst“ erfolgen und man gar nicht mehr nachdenken muß, um beispielsweise einen Schaltvorgang durchzuführen oder von A nach B zu gelangen. Man „tut“ das einfach. Ebenso sollte man auch als geübter Autofahrer sich natürlich jederzeit „bewusst“ bleiben, was man gerade macht und wohin man sich mit seinem Fahrzeug bewegt und in seiner „Konzentration“ – nun besser gesagt: Kontemplation – aufrecht bleiben.
Das Erlernen EINER Form zählt zu dem Beginn des Weges in Tai Chi. Es gibt jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Formen, welche nicht nur im Umfang, sondern auch von den Zielsetzungen, sowie von der jeweiligen Überlieferung und den dazugehörigen Familien-Stil(en) (auch: Schulen genannt) oder deren Derivaten voneinander abweichen.
Neben „den Formen“, welche als „Einzelübung“ (Soloform) ausgeführt werden, sind in weiterer Folge auch Partnerübungen (sogenannte: „push hands“) interessant, sowie schließlich die „Nutzung“ und „Erweiterung“ des eigenen Körpers mit „Werkzeug“ (zB.: die Waffenübungen mit Stock, Schwert, Säbel oder die kunstvolle Führung eines Fächers – ebenfalls in Solo- oder Partnerform).
Und schlussendlich mit Meisterschaft, wird sogar „die Form“ wieder „aufgegeben“ (Anm.: auch hierzu gibt es generell zwei unterschiedliche Ansätze, wie dies zu bewerkstelligen oder zu verstehen wäre).
All dies verkompliziert natürlich den Zugang für den westlichen Menschen.
Dem Interessierten drängt sich daher die Frage auf: „Womit fange ich dann an?“. Die Antwort ist ganz einfach:
„Mit den Grundlagen“ und „jenen Bereichen, wo sich“ – wie sollte es anders sein – „die unterschiedlichen Anleitungen ähnlich sind“.
Unter der Bezeichnung „Tai Chi Gung“ wird dies dem westlichen Menschen in geeigneter Art neu zugänglich gemacht. Es werden die Erkenntnisse und Formen der chinesischen Tradition genutzt und unabhängig von exklusiven Familienüberlieferungen oder Familienstilen, diese in für westliche Mentalität geeigneter Art gelehrt und trainiert.
Mit Fortschreiten in der Praxis erlernt man weitere Formen mit immer mehr oder auch schwierigeren Positionen und Abläufen. Eine persönliche Entwicklung erscheint hierbei nach oben offen.
…Fortsetzung folgt…
mehr zum Verein unter →www.tai-chi-gung.at