Was erfordert das Tai Chi Praktikum?

Fragen an den Sifu:

– Welche Eigenschaften benötigt man, um Tai Chi meisterlich zu praktizieren?

– Was braucht man (wirklich), um diese Kampfkunst (Tai Chi Chuan) zu beherrschen?

– Welche Voraussetzung erfordert das Tai Chi Praktikum?

Antwort:

Besondere körperliche Voraussetzungen sind für den Anfang gar nicht nötig.
Jeder durchschnittliche Mensch kann mit Tai Chi Gung beginnen.

Im Grunde ist nur eine gewisse mentale Disziplin Voraussetzung, welche man sich aber auch erarbeiten kann.

Die wichtigsten Eigenschaften dabei sind: Ausdauer im Sinne von Geduld gepaart mit Beharrlichkeit, sowie Gelassenheit.

Das drückt auch der Begriff →“Kung Fu“ aus:

„Das ständig fortgesetzte Bemühen um“ die selbst erwählte Kunst(form) – „ohne Zwang oder Besessenheit“ dabei zu verwenden oder darin zu verfallen.

Ausdauer wird im Westen meist nur materiell, körperlich gesehen: mehr Übungen, mehr Körperkraft, mehr Training …, mehr, mehr, mehr.

Dies zeigt sich (leider) auch in der Verwendung des Begriffes, wenn dieser bloß im Zusammenhang mit der Erbringung von mehr Leistungsfähigkeit innerhalb einer gewissen Zeitspanne verwendet wird. Als ob es wie bei einer wirtschaftlichen Produktivität nur darum ginge, mehr Leistung innerhalb einer gewissen Zeiteinheit zu erbringen. Also wieder: mehr, mehr, mehr von irgendetwas.

Ausdauer bedeutet aber auch: Durchhaltevermögen oder schlicht: Dabeibleiben, Beibehalten.

Etwas also kontinuierlich immer wieder zu tun und dieses Tun auch beizubehalten – egal, was kommen mag.

Nur wenige bringen dabei die Geduld auf, einmal nur eine(!) Übung solange immer wieder – vielleicht sogar über Monate oder Jahre hinweg – immer wieder von neuem zu erfahren und zu praktizieren, bis diese „perfekt“ ist.

Bemerkung:
Bitte nicht mißverstehen – damit ist keineswegs gemeint, täglich und stur immer das Gleiche zu wiederholen! Dazu gleich Näheres.

Genauso ist Geduld notwendig, um zu erkennen, das nicht immer „alles“ an einem Tag, einer Woche oder einem Monat, oder sogar in einem Jahr, möglich ist.

Beharrlichkeit ermöglicht es dem Menschen „dabei zu bleiben“ – nicht mit Sturrheit oder gar Zwang, sondern mit Gelassenheit.

Gelassenheit, durch das Wissen, dass man nicht unbedingt „heute“ oder „jetzt“ alles erreichen muss, weil man sein Ziel (ein bestimmtes) immer erreichen kann(!), wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sofern man einfach immer wieder zu geeigneten Zeitpunkten, das macht oder man sich mit dem beschäftigt, was mittelbar oder unmittelbar damit zu tun hat.

Manchmal erkennt man gar nicht, was mit dem Ziel zu tun hat, aber weiss, dass es aufgrund der Thematik mit der Kunst(form) zu tun hat – dann ist ebenfalls Gelassenheit notwendig, die gestellte Aufgabe zu erledigen, bevor man sich Gewohntem oder Neuem widmet.

Je öfter man hinterher feststellt, das genau jene Aufgabe schlußendlich genau der richtige Baustein zum Fortschritt gewesen war – was man mangels Erfahrung „davor“ ja nicht wissen konnte – desto gelassener tritt man auch künftigen Aufgaben (Übungen) oder Herausforderungen entgegen.

Leicht wird vom westlich geprägten Menschen vergessen, dass bei Tai Chi der Weg das eigentliche Ziel darstellt, nicht mögliche persönlich festgelegte Meilensteine auf dem Weg zu einer bestimmten →Form.

Anders formuliert:
„Das Machen“ ist der Sinn der Sache, NICHT „das gemacht haben“ oder „erreicht haben“.

Immer wieder trifft man bei uns Menschen die sagen: „Ich habe diese oder jene Tai Chi-Form bereits erlernt – Was muss ich erlernen, damit ich fertig bin?“

Ich antworte darauf gerne mit: „Stelle dir vor, ein Maler würde sagen: Jetzt habe ich schon alle Farben meiner Palette verwendet, ich glaube ich brauche jetzt keine Bilder mehr zu malen und bin mit meiner Kunst fertig! – Wäre er dann noch Maler oder Künstler?“

Nur wer Kampfkunst beharrlich und geduldig übt, ist Kampfkünstler. Wer diese nicht mehr praktiziert, nicht mehr macht, WAR eben einmal Kampfkünstler, ist es aber nicht mehr.

Tai Chi Kung Fu ist eine der wenigen (Kampf-)Künste, welche man bis ins hohe Alter – bis zum Lebensende – ausüben kann und dabei mit Geduld und Beharrlichkeit immer besser wird, je länger man es praktiziert, sofern man dabei auf Qualität statt Quantität achtet.

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