(aus der Serie: Irrtümer über Tai Chi , erstmals erschienen auf mein.salzburg.com am 17. Apr 2010 um 15:07 in Fitness)
Viele Menschen kennen den Begriff „Meditation“ und setzen diesen mit „Verharren“, „Bewegungslosigkeit“ …und manchmal auch mit „dahindösen“, wenn nicht sogar: „Schlafen“ gleich!
Aber genau darin liegt oft schon das erste Missverständnis: „Meditation“ ist das Gegenteil von „Schlaf“ oder „Teilnahmslosigkeit“, denn in einer Meditation sollte der Geist „hellwach“, „aufnahmebereit“ und „voll bewusst“ sein!
Landläufig bekannte Meditationstechniken dienen dazu „äußere“ Einflüsse möglichst „auszublenden“ oder „abzuschalten“, damit man sich dem „Inneren“ – voll konzentriert, besser: Kontemplativ – zuwenden kann. Hierzu ist es selbstverständlich einfacher, sich hinzusetzen oder hinzulegen. Dies bedeutet aber keineswegs gleichzeitig, dass Meditation ausschließlich im Sitzen oder Liegen durchgeführt werden könne.
Für viele erscheint es schon befremdlich, dass „Meditiation im Stehen“ geübt werden kann. Wen verwundert es da, dass „Meditation in Bewegung“ dann völlig „abstrus“ erscheint?
Dies liegt aber darin, dass immer noch viele Menschen den Begriff „Meditation“ falsch interpretieren (s.o.), bzw. bisher selbst wenig bis keine Erfahrung mit Meditation gemacht haben …oder jenen Menschen niemand erklärt oder gesagt hat, dass sie öfter in ihrem Leben bereits „meditiert“ haben als ihnen bewusst ist. Weil dies ein ganz natürlicher Vorgang bei jedem Menschen ist, welcher sehr oft „spontan“ in bestimmten Situationen oder Verhaltensweisen „einsetzt“.
Zum Beispiel: Bei einem „überwältigenden“, „die Seele berührenden“ Anblick in der Natur, Umwelt, …, auf der Straße, beim Wandern, beim Sport, …, irgendwo und überall möglich.
Oder in einer Lebenssituation, welche den „Normalfall“ sprengt: Unfall, Krise, Einschnitte, Begräbnis, etc;
Oder auch einfach: Weil man über etwas so intensiv nachdenkt und dabei seine Umgebung „völlig“ vergisst! – Jenen Zustand (und auch jenes Verhalten), welcher dieser Mensch exakt in jenem Moment (innerlich und äußerlich) einnimmt, kann als „Meditation“ gesehen werden.
Anmerkung: Und man kann davon ausgehen, dass genau jene „Meditations-Zustände“ im Grunde alle Menschen „irgendwie“ bekannt sind, was auch unter wissenschaftlichen Tests (sprich: „Alpha-Zustand“, „Theta-Zustand“ …der messbaren Gehirnströme) bereits hinlänglich nachgewiesen wurde.
Von „Meditation“ in gebräuchlicher Definition wird jedoch meist (nur) davon gesprochen, wenn der damit einhergehende – sagen wir ruhig: Zustand des Menschen – willentlich herbeigeführt wird.
Meditationstechniken dienen also in erster Linie dazu, „Regelwerke“, „Anleitungen“ und „Hilfestellungen“ anzubieten, um den gewünschten „innerlichen“ und „äußerlichen“ Zustand, welcher bei einer Meditation erreicht werden sollte, jederzeit und bewusst nachvollziehbar zu machen.
Wenn also „Meditation“ gar nichts mit einer körperlichen Haltung oder Stellung (Sitzen, Liegen, Stehen) zu tun hat, sondern vielmehr den aktuellen „inneren“ Zustand beschreibt (die „Bewusstheit“ und die mentale Aktivität, bei gleichzeitigem Erreichen von Alpha-, Theta- von mir aus auch: Delta-Wellen der Gehirnströme), dann kann jener „Zustand“ grundsätzlich auch „im Gehen“ oder „in Bewegung“ ausgeführt werden, nicht wahr?
Und genauso ist es!
Die Ausführung von Tai Chi (Chuan) wird oft mit „Meditation in Bewegung“ gleichgesetzt und genau dies sollte auch eines der Ziele der Praktizierenden sein. – Kein leichtes, aber sehr lohnenswertes Ziel der Bemühungen im Training!
(Mit diesem Satz sollte ausgedrückt werden, dass nicht jeder, welcher Tai Chi – vor allem: Körperlich, gymnastisch – ausübt, automatisch den Meditationsaspekt auch beherrscht!)
Der erste Schritt zu diesem Weg ist die körperliche Beherrschung (irgendeiner !!!) klassischen oder überlieferten „Form“. Sobald alle körperlichen Vorgänge und Bewegungen „automatisiert“ wurden und sozusagen „im Schlaf“ gekonnt werden (interessantes Wortspiel, nicht wahr?) – denn dann erst können die nächsten Schritte zu jenem Ziel gemacht werden.
Bei den meisten Sportarten wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass Bewegungen recht spontan erfolgen – dies ist einer der Gründe, warum man dabei auch möchte, dass alles relativ schnell ausgeführt werden soll. Bei Tai Chi (abgesehen von Chen-Stil, Waffenformen, etc.) sind die Bewegungen langsam. Damit wird dem Geist (der „Bewusstheit“, dem Mentalen) auch mehr Zeit zur Verfügung gestellt. Überließe man dabei den Körper sich selbst, wie bei anderen (Leistungs-)Sportarten auch, so würde jener, so wie er durch unsere Lebensart „konditioniert“ ist, die Bewegungsabläufe „immer“ schnell ausführen, sobald diese „erlernt“ wären. Anders formuliert: Keine der (Tai Chi) Prinzipien würde beachtet werden (…und auch die „innere“ Kampfkunst völlig außer acht gelassen).
Wenn jemand Tai Chi (Chuan) beginnt, sollte auch gleichzeit erlernt werden, immer auf die Qualität der Bewegungen zu achten, auf den körperlichen (Momentan-)Zustand: Entspannung/Anspannung – Wo?, Wann?, ist das „richtig“?; auf die „inneren“ Komponenten: Konzentriert oder Abgelenkt?, „bewusst“ oder „automatisch“?, „Gefühl“ und „Fühlen“.
Bei Tai Chi Gung wendet man sich auch jenem Aspekt der chinesischen Bewegungskunst zu: Der „Meditation in Bewegung“. Das Training und die Anleitungen weisen immer auch darauf hin.
Mehr zum Tai Chi Gung – Landessportverein in Salzburg auf: www.tai-chi-gung.at