(aus der Serie: Irrtümer über Tai Chi, erstmals erschienen auf mein.salzburg.com am 28. Feb 2010 um 16:17 in Fitness )
Ganz das Gegenteil ist der Fall: die Nichtbeanspruchung unseres Körpers, egal ob Muskeln, Gelenke oder auch das Gehirn, führt automatisch zu Degeneration (dem Verfall).
Die Natur hat es eingerichtet: Was nicht „gebraucht“ wird, erfüllt keinen Zweck und wird „entsorgt“. Nur die ständige „Nutzung“ erhält die Funktion.
Wer schon einmal gebrochene Gliedmaßen hatte und wochenlang einen Gipsverband trug, weiß wovon hier gesprochen wird: nach Abnehmen des Gipses sind die Muskeln „geschwunden“ und man muß erst wieder einmal mit dem zuvor ruhiggestellten Körperteil „üben“, damit es wieder so „funktioniert wie gewohnt“ – und das ist durchaus mühsam.
Anmerkung: wer diese Erfahrung – glücklicherweise – nicht selbst gemacht hat, kennt sicherlich jemanden, welcher hierüber ausführlich berichten kann.
Interessante Frage an jene betreffende Person: „Nachdem das alles vorbei war – und Du das Bein (den Arm) wieder normal bewegen konntest – musst Du Dich auch jetzt noch jeden Tag ‚plagen‘, wenn Du diesen Körperteil benutzt?“
Antwort – im „Normalfall“ – sofern alles wieder genesen ist: „Natürlich nicht! – Nur bis es wieder soweit war!“
Um unseren Körper, unser „Herz“ und unseren Geist funktionstüchtig zu halten, müssen wir diese anwenden und gebrauchen.
Der Volksmund spricht: „Wer rastet, der rostet.“
(Wobei heutzutage dies viele schon „negativ“ als „Aufforderung zu Hast und Eile“ empfinden, was sicher nicht im Sinne der „Erfinder“ gewesen ist – also verstehen wir diesen Satz hier bitte nicht auch als weiteren Ausdruck der „Rastlosigkeit“, sondern als Empfehlung zur Überwindung der „Bewegungslosigkeit“).
Wieder zeigt sich: entscheidend ist „die Goldene Mitte“ – weder das eine Extrem („Rastlosigkeit“) noch das andere („Bewegungslosigkeit“) erscheinen „gesund“.
Und alles benötigt seine Zeit: nach einer Beeinträchtigung (Verletzung oder Überbeanspruchung etc.) ist Schonung wichtig und richtig – aber eben nicht als Dauerzustand.
Ist die „Erholungsphase“, die „Wiederherstellung“ vorüber, sollten die bisher „geschonten“ Körperfunktionen (oder Fähigkeiten des Menschen im weitesten Sinne) auch wieder „beansprucht“ werden, damit diese nicht nach und nach verkümmern.
Wie findet man also einen „Mittelweg“ zwischen Anspannung und Entspannung?
Eine weitere Frage hierbei ist auch: wie erreiche ich – mit verfügbarem zeitlichen Einsatz – eine möglichst optimale Wirkung für den gesamten Organismus? (…den Menschen?)
Genau jene Fragen beschäftigten auch viele chinesische Gelehrte schon vor vielen Jahrhunderten – und sie fanden eine Lösung: Tai Chi Chuan.
Die Legende berichtet, dass →Chang San-Feng (nach Pinyin-Übertragung: Zhang San-feng oder Zhang Sanfeng), welcher im 12. Jahrhundert nach Christus lebte (1279-1368) und ursprünglich ein Staatsbeamter war, sich später aber als taoistischer Mönch in den Bergen von →Wudang aufhielt, als Begründer dieser chinesischen Körperkunst gilt.
Chang (bzw. „Zhang“) sollte Meister der harten oder „äußeren“ Kampfkünsten gewesen sein, welche damals den Mönchen im Kloster der Shaolin unter Bodhidharma (dem indischen Mönch und Begründer des Zen-Buddhismus) im 6. Jahrhundert als Übungen zum Ausgleich für das lange Sitzen in Meditation und Wiedererlangung körperlicher Fitness „verordnet“ wurden und sich in weiterer Folge auch als überaus erfolgreiches Kampfmittel zur Verteidigung der Klöster und Mönche eignen sollte.
Chang San-Feng war unzufrieden mit den „äußeren Kampfkünsten“, die „den Schlangen ständig Beine anmalte“, wie ein chinesisches Sprichwort überflüssiges Tun beschreibt und suchte daher nach neuen Wegen.
Er wollte weniger äußere Techniken, weniger Schweiß und Keuchen, sondern die natürlichen „inneren“ Energien, welche er mittels taoistischer Meditation entwickelt hatte, sowohl für den Zweck der Kunst der Lebensverlängerung („→Yangshen“ – später dann: Chi Gung, bzw. Qi Gong) als auch des Kampfes (der Kampfkunst) einsetzen.
Je nach Ausprägung und Stilrichtung (Yang-, Chen-, Wu-, Hao-, Lee-Stil, u.v.a.m.) können heutzutage einfachste Übungen zur (einfachen) Aufrechterhaltung der Gesundheit, bis hin zur fortgeschrittenen Formen zur Entdeckung weiterer eigenener geistigen, seelischen und körperlicher Fähigkeiten, sowie zu ausgefeilter Kampf(sport)-Technik führen.
Die „Bewegungen“ werden automatisch ins tägliche Leben integriert und gezielte Bewegungsvorgänge (als Übungen) können nach einer gewissen Zeit des Erlernens, einfach und leicht, regelmäßig – ohne Plagen und Mühen – wenn man mag auch nur zwei bis dreimal die Woche ausgeführt werden – ohne dass man „einrostet“.
Wer tiefer in diese Materie einsteigen möchte, kann gerne einmal →im Glossar des Tai Chi Gung – Mitgliederforums unter www.taichianer.at stöbern.
Wer weiß:
Vielleicht will der- oder diejenige auch bald gemeinsam mit uns im Verein trainieren?